IAA MOBILITY: So geht Automesse heute (und in Zukunft)

Der Kredit, den die IAA MOBILITY im Vorfeld erhielt, war nicht sehr gross – selbst die grossen Branchenmedien waren skeptisch, obwohl sich die Frage nach der Zukunft der IAA in Frankfurt aufgrund des anhaltenden Publikumsschwunds geradezu aufdrängte. Aber eine Mobilitäts- statt eine Automesse? Geht das? Wer sich die Mühe nahm, einen Augenschein vor Ort zu nehmen, dem fiel die Antwort leicht: ja, das geht. Präziser: beeindruckend.

Trotz der Abwesenheit einiger grosser Marken – unter anderem Opel, Fiat, Peugeot, Citoën oder auch Toyota – ist es dem Verband der Automobilindustrie (VDA) als Organisator auf Anhieb gelungen, die Zweifler eines Besseren zu belehren. Dafür sorgten drei entscheidende Faktoren.

Das Konzept: Zuerst einmal die beruhigende Nachricht, dass das Auto nach wie vor im Zentrum steht. Die Mobilität der Zukunft – und das ist die entscheidende Botschaft – findet ohne Auto nicht statt. Punkt. Allerdings ist das Auto in Zukunft stärker eingebettet in andere Mobilitätsformen, die sich gemeinsam ergänzen, wo es Sinn macht, also primär in den Städten. Diese Einbettung ist die Grundlage des neuen IAA-Konzepts und wurde in München beispielhaft umgesetzt – spielerisch, inspirierend, zukunftsgerichtet. Zu dieser Einbettung gehörten auch über 900 Redner aus 32 Ländern, die zum Nachdenken anregten. Oder auch zum Widerspruch.

Zum Konzept gehört auch, dass die IAA MOBILITY dezentral durchgeführt wurde: Im Messezentrum ausserhalb der Stadt gab es Ausstellungen von Herstellern, Zulieferer und Start-ups, viele davon an Ständen von Bundesländern, die zeigten, wie innovativ integrierte Mobilität heute schon funktioniert. Aber klar: Die Masse der Besucher – immerhin 400'000 aus 95 Ländern – konzentrierte sich auf die ausgestellten Autos. So sehr, dass an manchen Ständen der Zutritt nur gestaffelt gewährleistet werden konnte. In der Münchner Innenstadt verwandelten sich die Plätze mit den Ausstellern vor allem ab Donnerstag, als die Messe für das breite Publikum geöffnet wurde, in ein wahres Volksfest. Bemerkenswert und auffällig: 67 Prozent der Besucher, so hielt die Organisation am Ende fest, waren jünger als 40 Jahre. Das Auto interessiert die Jungen nicht mehr? Nicht im Geringsten!

Und zwischen den beiden Schauplätzen befand sich die verbindende «Blue Lane», auf der sämtliche Mobilitätsformen ausprobiert werden konnten – vom Elektroauto bis hin zum Elektroroller, 1:1 in der Realität und nicht virtuell. Davon haben Tausende Gebrauch gemacht.

Dass an der IAA MOBILITY primär elektrifizierte Automobile ausgestellt waren, ist dem Zeitgeist und dem Druck aus Politik und Gesellschaft geschuldet. Doch wer suchte, der fand: Eine der insgesamt fünf grossen Hallen im Messezentrum war ausschliesslich mit Autos mit Verbrennungsmotoren besetzt – und sehr gut besucht. Viel besser, als jene mit den Fahrrädern…

Die Organisation: Ohne 3G ging auch in München nichts. Um das sicherzustellen, gab es überall genügend Hilfspersonal. Überhaupt: Der Organisationsgrad war so hoch, man hätte meinen können, die Messe fände in der Schweiz statt. Nirgends Stau, nirgends ein Problem. Perfekt. Dass die Plätze in der Innenstadt aufgrund von verschiedenen Demonstrationsankündigungen zeitweise von einem grösseren Polizeiaufgebot geschützt werden mussten, war schade und hat die Atmosphäre vor allem gegen Ende der Messewoche etwas beeinträchtigt. Aber auch die Polizei hat – wie alle Beteiligten – einen tollen Job gemacht.
Die Atmosphäre: Das Messegelände ausserhalb der Stadt glich mehr einem Campus denn einer sterilen Ausstellung, wie das beispielsweise früher in Frankfurt oder auch in Genf der Fall war. Besucher flanieren, sitzen im Park, holen sich ihren Lunch an einem der vielen Foodtrucks, essen Weisswurst und Brezel im Schatten von grossen Bäumen, trinken ein Weissbier. Keine Hektik, keine Massen, denen man kaum ausweichen kann. Alles total entspannt. Und auf den Plätzen der Innenstadt, umgeben von beeindruckenden historischen Gebäuden und Parks und Biergärten, spielt München die ganze Kraft seiner unwiderstehlichen Anziehung und ihres Charmes aus. Dass das Wetter die ganze Woche mitgespielt hat, war noch der sogenannte «frozen on the cake».

Fazit: Der VDA wurde für seinen Mut, die IAA neu zu denken, belohnt. Sie bringt das Auto zu den Menschen, wenn die Menschen schon nicht mehr zum Auto kommen (Frankfurt, Genf). Und das funktioniert. Eine Auto-Ausstellung, die zum Volksfest wird, macht Hoffnung für die Zukunft. Und das war viel mehr, als man erwarten durfte.