«Die Anzeichen weisen auf einen neuen Rekord»

Der Motorradmarkt ist nach einem Rekordjahr 2020 unverändert stark ins neue Jahr gestartet. Die Zeichen deuten darauf hin, dass ein neuer Bestwert erreicht werden kann. Die Euphorie wird allerdings etwas gebremst, wenn man aufgrund der Entwicklung in die nahe Zukunft sieht. Danny Fehr, Redaktor bei auto-i-dat ag, hat das getan. Sein Befund: Der Boom könnte bald nachlassen.

Danny Fehr: 2020 war ein Rekordjahr was die verkauften Einheiten von Motorrädern und Rollern betrifft. Per Ende Mai des laufenden Jahres liegen die Verkaufszahlen deutlich höher als im Vorjahr.

Ein Vorzeichen, dass der Markt erneut ein Rekordjahr vor sich hat?
Danny Fehr: Die Anzeichen dafür sind sehr positiv. Der Motorradmarkt ist – Stand Ende Mai 2021 – rekordverdächtig gestartet. Man darf aber nicht ausser Acht lassen, dass wir letztes Jahr einen Lockdown hatten. Trotzdem liegen die Zahlen Ende Mai 2021, verglichen mit dem noch «normalen» Jahr 2019, mit 28'566 gegenüber 21'247 Einheiten weit im Plus. Ob der Schwung vom ersten Halbjahr 2021 beibehalten werden kann, wird sich in der zweiten Jahreshälfte zeigen. Erwähnenswert ist zusätzlich, dass letztes Jahr gewisse Marken Lieferschwierigkeiten hatten. Es hätte durchaus noch mehr abgesetzt werden können, wenn der Nachfrage entsprechend hätte geliefert werden können.

Mit ein Grund, vielleicht sogar der Hauptgrund für die hohen Verkaufszahlen 2020 war der Umstand, dass ab 2021 der Direkteinstieg zu den grossen Motorrädern weggefallen ist. Trotzdem liegen die Verkaufszahlen 2021 im Vergleich zum Vorjahr um knapp 50 Prozent höher. Was sind die Gründe?
Nach dem Corona-Jahr 2020 – Corona wirkt sich nach wie vor positiv auf den Markt aus – kommt jetzt vor allem das seit 1. Januar 2021 geltende, neue Gesetz bezüglich 125 ccm-Klasse zum Tragen. Ab 1. Januar dieses Jahres dürfen bereits 16-Jährige diese Klasse lenken. Den Effekt zeigen die Zahlen, die «Moto Schweiz» zusammengestellt hat:

 

 

 

Analysiert man die Verkaufszahlen per Ende Mai des laufenden Jahres, fallen verschiedene Fakten auf: Yamaha hat über 60 Prozent mehr Einheiten verkauft als in derselben Periode des vergangenen Jahres. Was ist das Erfolgsgeheimnis der Marke?
Der Yamaha Importeur Hostettler macht einen ausgezeichneten Job und geniesst einen hervorragenden Ruf in der Branche. Zudem hat Yamaha schweizweit ein sehr gut ausgebautes Händlernetz und kann vor allem auch Fahrzeuge ab Lager liefern.

Vespa verkauft in der Schweiz inzwischen praktisch gleich viele Einheiten wie die Marke BMW insgesamt. Setzt sich der Rollerboom in den Städten fort? Was sind hier die Gründe?
Die Nachfrage nach Vespa ist seit Jahren ungebrochen. Der aktuelle Bestseller ist das Modell «Primavera 125 3V». Neben der Primavera sind aber auch noch drei andere Modelle in den «Top 15» vertreten. Auch hier macht sich vor allem wieder die 125 ccm-Klasse bemerkbar. Andere Gründe sind ein gutes Marketing und der Name Vespa, obwohl die Marke ja eigentlich Piaggio heisst. Vespa ist bei Herr und Frau Schweizer gleichermassen beliebt.

Harley-Davidson, einst Marktführer in der Schweiz, wird zunehmend nach hinten gereicht und liegt per Ende Mai des laufenden Jahres auf Rang 11. Was ist da los?
Die Hauptkundschaft von Harley-Davidson ist etwas in die Jahre geraten und die Marke tut sich schwer, eine jüngere Kundschaft hinzuzugewinnen. Andererseits wurde das Chopper- und Touring-Segment durch die populären «Nakedbikes» verdrängt. Aus diesem Grund geht Harley Davidson erstmals neue Wege und lancierte dieses Jahr das Modell «Pan America». Damit möchte Harley im Enduro Segment Fuss fassen.

Wie schätzen Sie die Entwicklung für das weitere Jahr 2021 ein? Was ist besonders zu beachten?
Es ist schwer vorauszusagen, ob es im laufenden Jahr gelingt, das Rekordjahr 2020 zu übertreffen. Die Zahlen dafür stehen im Moment gut. Wir vermuten aber eine baldige Sättigung bei der 125 ccm-Klasse. Dieser Boom könnte bald etwas nach lassen. Nicht zuletzt, weil die meist junge Kundschaft mit Erreichen der Volljährigkeit auf eine grössere Hubraumklasse umsteigen und dadurch ein grössere Anzahl gebrauchter Fahrzeuge auf den Markt kommen wird. Zudem dürfte der allgemeine Boom in den kommenden Jahren grundsätzlich wieder etwas nachlassen. Während Corona haben viele Interessenten kurzfristig auf zwei Räder umgesattelt. Es könnte gut sein, dass das Motorrad im Nachhinein für den einen oder anderen Fahrer doch nicht das richtige Hobby ist.