Die Trendwende ist geschafft

Es ist nicht zu erwarten, dass der Markt rasch zu einer «Normalität» zurückkehren wird, wie wir sie vor der Covid-19-Pandemie hatten. Aber die Marktzahlen unserer Datenspezialisten zeigen klar auf, dass wir die Trendwende hinter uns haben. Bemerkenswert im Rahmen des aktuellen Marktreports: Trotz «Elektro-Boom» wird es noch sehr lange dauern, bis sich der Gesamtbestand signifikant verändert hat.

Im 1. Halbjahr 2021 wurden über 20 Prozent mehr Personenwagen neu zugelassen als in derselben Periode des Vorjahres. Aber: Selbst mit diesen Zahlen hinkt der Markt dem 1. Halbjahr 2019 mit 26'500 Einheiten hinterher. «Die nach wie vor anhaltenden Lieferengpässe dürften für das zweite Halbjahr keine signifikante Entspannung verheissen», sagt René Mitteregger, Datenspezialist bei der auto-i-dat ag.

Verrückt spielt der Markt nach wie vor bei den Gebrauchtwagen. Hier klagen Händler schon länger darüber, dass der Markt – inzwischen nicht mehr nur jener von sehr neuen Occasionen – langsam, aber sicher austrocknet. Das 1. Halbjahr 2021 schloss mit 400'104 gehandelten Occasionen, dem drittbesten Halbjahr seit auto-i-dat den Occasionshandel beobachtet. Insbesondere März und April waren aus Händlersicht hervorragend und konnten die Einbussen aus den ersten zwei Monaten des Jahres kompensieren. Der März selbst war nach dem Rekordmonat Juni im Jahr 2020 zweitbester Monat überhaupt.

Standzeiten sinken weiter
Dass diese Entwicklung Auswirkungen hat auf die Standzeiten, ist nachvollziehbar. Sie sinken. Lag die durchschnittliche Standzeit über alle Marken und Modelle im Gebrauchtwagenmarkt zu Beginn des Jahres noch bei 81 Tagen, lag sie Mitte Jahr noch bei 78 Tagen. Selbstredend, dass sich die Standzeiten von Modell zu Modell und von Marke zu Marke teilweise sehr stark unterscheiden. Und: Fahrzeuge, die nur sehr kurz stehen, weil sie vom Neuwagen durch Kurzzulassung zur Occasion gemacht wurden, drücken den Schnitt nach unten.

Während die Zahl an Immatrikulationen von Benzinern Ende Juni 2021 praktisch auf demselben Niveau steht wie 2019, hat jene von Dieselfahrzeugen nur leicht abgenommen (-0,5%). Stark zugenommen haben indessen HEV- und MHEV-Fahrzeuge (+134%) und PHEV- und REX-Fahrzeuge (+116%). Inzwischen verfügen knapp 30 Prozent aller neu zugelassenen Fahrzeuge in der Schweiz über einen Hybrid-Antrieb. Dieser Trend dürfte sich weiterhin verstärken. Rein elektrische Fahrzeuge haben mit einem Plus von fast 80% ebenfalls stark zugelegt – auch und gerade wegen Tesla (2'256 Einheiten im ersten halben Jahr) und wegen VW (2'109). Volkswagen setzt bereits den Blinker und wird Tesla in der zweiten Jahreshälfte als Marke mit den am meisten verkauften Elektrofahrzeugen überholen.

94 Prozent nach wie vor Benzin und Diesel
Der anhaltende Boom bei der Neuzulassung von Fahrzeugen mit alternativem Antrieb lenkt jedoch leicht von der Tatsache ab, dass es noch Jahre dauern wird, bis alternative Antriebe einen signifikanten Anteil am gesamten Fahrzeugbestand in der Schweiz haben werden. Stand Mitte des laufenden Jahres verfügen noch immer 94 Prozent aller Personenwagen auf Schweizer Strassen über einen mit Benzin (64,8%) oder einen mit Diesel (29,2) angetriebenen Motor. Zum Vergleich: Von Januar bis Ende Juni des laufenden Jahres wurden 12'319 elektrisch angetriebene Fahrzeuge verkauft – gleichzeitig aber 56'619 Benziner und 25'968 Diesel. Heisst: Selbst während der aktuellen Elektro-Boomphase werden noch mehr als doppelt so viele Fahrzeuge mit einem Diesel und mehr als viereinhalb Mal so viele Fahrzeuge mit einem mit Benzin angetriebenen Motor verkauft.

Das widerspiegelt sich auch im Occasionsgeschäft, wo die alternativen Antriebe erst langsam ankommen. Im ersten Halbjahr 2021 haben insgesamt 260'747 Benziner und 119'867 Diesel die Hand gewechselt – aber «nur» 17'942 Hybridfahrzeuge und 6'015 Elektrofahrzeuge. Heisst: Der Occasionshandel mit Elektrofahrzeugen macht aktuell gerade einmal knapp 1,5 Prozent des gesamten gehandelten Volumens aus. Dabei ist zu beachten, dass die Standzeiten der verschiedenen Elektro-Modelle sehr unterschiedlich sind. Generell lässt sich jedoch feststellen, dass die erste Generation bereits länger steht, bis sie wieder einen neuen Halter findet.

Von den 4'787'027 per Mitte 2021 in der Schweiz eingelösten Personenwagen sind erst 62'211 Einheiten vollelektrisch unterwegs; das ist gerade einmal 1,3 Prozent des gesamten Bestandes. Hybridisierte Fahrzeuge machen mit 191'099 Einheiten inzwischen knapp vier Prozent des Bestandes aus. Und der Rückgang bei den Neuzulassungen hat nur marginale Auswirkungen auf den gesamten Personenwagenbestand in der Schweiz – er wächst im Durchschnitt pro Jahr um 50'000 bis 70'000 zusätzliche Fahrzeuge.

Wachstums-Benchmark Camper!
Es ist inzwischen eine Binsenwahrheit: Spätestens seit Corona boomt ein Bereich ganz besonders: Camper. Die Zahl der Neuzulassungen hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen, im vergangenen sogar sprunghaft – und im laufenden Jahr gleich nochmals. In Zahlen: Wurden in den Jahren 2015 bis und mit 2018 im Schnitt pro Jahr 4500 Camper neu zugelassen, waren es im Jahr 2020 mit 7'257 Einheiten schon 72 Prozent mehr. Per Mitte des laufenden Jahres hat die Zahl inzwischen die 5000er Marke überschritten.

In der Schweiz sind damit aktuell insgesamt 85'312 Fahrzeuge eingelöst. Klar in Führung liegen die beiden Marken Fiat und VW. Während bei Fiat meist ein Ducato als Trägerfahrzeug für voll- oder teilintegrierte Wohnmobile fungiert, sind es bei VW in der Regel die T-Varianten. Wobei Fiat mit 33'703 aktuell eingelösten Fahrzeugen zahlenmässig deutlich vor VW (22'847) liegt, gefolgt übrigens von Mercedes-Benz (9413).