«…wenn dann noch Occasionen an Lager sind»

René Mitteregger
Abteilungsleiter Produkte
auto-i-dat ag

Er hat die Entwicklung als einer der Ersten vorausgesehen und schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt darauf hingewiesen, was die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf den Occasionsmarkt sein werden. Jetzt zieht René Mitteregger eine Bilanz des vergangen Jahres und wagt einen Blick ins erste Halbjahr 2021. So viel vorab: eine Entspannung ist nicht in Sicht – im Gegenteil.

René Mitteregger, wie entwickelt sich aktuell der Neuwagenmarkt bzw. die Immatrikulationen – und welche Auswirkungen hat das auf den Occasionsmarkt?
René Mitteregger: Der neuerliche Lockdown lässt den Neuwagenmarkt erneut einbrechen. Hier zeigen sich die Spuren bereits im Januar 2021 mit einem Rückgang von 19.5 Prozent gegenüber 2020. Das klingt erstmal nicht nach viel. Jedoch muss man bedenken, dass der Januar 2020 gegenüber dem Januar 2019 auch schon 10 Prozent eingebüsst hatte. Das heisst, vergleicht man den aktuellen Januar mit dem Januar vor zwei Jahren, sprechen wir von einem Rückgang von 27.71 Prozent. Geht der Trend so weiter, was Stand Mitte Februar für die nächsten Wochen zu erwarten ist, wird der Occasionsmarkt unweigerlich beeinflusst werden. Einerseits werden Kunden, die sich in normalen Zeiten einen Neuwagen kaufen würden, auf einen Gebrauchten zurückgreifen, andererseits werden die fehlenden Neuwagen später bei den Occasionen fehlen. Dieser Umstand wird natürlich auch auf die Preise der Gebrauchten Einfluss haben.

Warum entwickeln sich einige Marken (z.B. Citroën, Honda, Peugeot) deutlich besser als andere Marken?
Das ist das Gesetz der kleinen Zahlen. Wenn ich im Vorjahr zwei Autos neu zugelassen habe, und in diesem Jahr vier, dann ist das ein Zuwachs von 100 Prozent. Die Betrachtung des aktuellen Januars im Vergleich zum Januar 2020 lässt keine Aussage zu. Nehmen wir die erwähnten Marken, stellt man fest, dass im Januar 2020 bei Citroen 60.8 Prozent weniger Fahrzeuge zugelassen wurden, bei Honda 61.9 und bei Peugeot 53.4 Prozent weniger. Das heisst: Im Vergleich von Januar 2020 zu Januar 2019 hatten sich die Neuzulassungen bei diesen drei Marken mehr als halbiert. Sind sie nun beinahe wieder auf Gleichstand zum Januar 2019, ist das eben eine satte Zunahme von mindestens 100 Prozent.

In einem Interview haben Sie letzthin gesagt, dass sich der Handel auf ein weiteres schweres Jahr einstellen muss. Wie schwer im Vergleich zu 2020?
Ich glaube, es wird alles in allem nicht schwieriger als 2020. Jedoch werden wir sicherlich im Frühjahr eine weitere Durststrecke hinnehmen müssen. Der Handel dürfte sich im Bereich Neuwagenmarkt nur sehr zögerlich erholen. Der Occasionshandel wird es eher etwas leichter haben, wenn dann noch Occasionen an Lager sind.

Wo liegen die Unterschiede zwischen 2020 und 2021?
Im Gegensatz zum Jahr 2020 wissen wir, was auf uns zukommt. Ferner sind die Perspektiven im laufenden Jahr wesentlich besser als im vergangenen Jahr. Wir wissen aber, dass die Ansteckungsgefahr mit den Sommermonaten abnimmt und die Impfungen angelaufen sind. Das lässt Hoffnung auf ein baldiges Ende der Pandemie aufkommen.

Was können / sollen Occasionshändler jetzt tun?
Der Occasionshandel muss sich mit guten Occasionen eindecken. Der Bedarf dürfte mit Sicherheit wieder steigen. Bei vielen Händlern fehlt es schon jetzt an neuen Occasionen. Das machen die Grössen der Lücken zwischen den Occasionen auf den Plätzen schon jetzt klar.

Wenn der Occasionsmarkt in der Schweiz immer mehr austrocknet – werden dann immer mehr Occasionen importiert? Wo liegt allenfalls die Krux?
Das kann passieren. Die Schwierigkeit bei Importen von gebrauchten Fahrzeugen dürften jedoch die gesetzlichen Hürden sein. Die Schwierigkeit liegt darin, dass nicht jedes gebrauchte Auto ohne Weiteres in die Schweiz importiert werden kann. Neben Zoll, Automobilsteuer und Mehrwertsteuer werden auch CO2-Sanktionen erhoben. Je nach Fahrzeug können diese Kosten einen Import eines gebrauchten Fahrzeugs unrentabel machen.

Wenn die Konsumenten wegen Lieferschwierigkeiten keinen Neuwagen kaufen können und wegen der Verknappung im Occasionsmarkt auch keine passende Occasion finden: Fahren sie dann ihr Auto einfach länger, was wiederum doch gut ist für den Garagisten?
Das ist korrekt. In diesem Fall steigt das Durchschnittsalter der Personenwagen, was sicherlich für die Werkstätten ein gutes Geschäft bedeutet. Wir können auch bereits feststellen, dass mit Reparaturen weniger lang gewartet wird und viele sich für eine Reparatur statt einer Neuanschaffung entscheiden. Das hilft dem Gewerbe und lässt darauf hoffen, dass wenigstens ein Teil der Verluste im Handel damit kompensiert werden können.

Haben Occasionen das Handelsgeschäft 2020 gerettet? Und: Wenn es kaum mehr Occasionen zu verkaufen gibt und die Lieferengpässe bei den Neuwagen noch immer bestehen – dann hat der Handel ein Problem, oder?
Ja, ich denke schon. Der Occasionshandel im Jahr 2020 hat mit einem Minus von nur 1.9 Prozent gegenüber Vorjahr geschlossen. Das heisst, der Occasionshandel lief nicht so schlecht. Vergleicht man das mit den Neuwagenzulassungen mit -23.9 Prozent kann sogar von einem großartigen Occasionsjahr gesprochen werden. Sollte der Fall eintreffen, dass die Lieferengpässe anhalten und die Occasionsangebote dadurch zurück gehen, ist das sicher alles andere als gut für den Handel. Hoffen wir, dass die Pandemie bei uns schnell vorüber geht und wir kein solches Szenario zeichnen müssen.

Gibt es aus Ihrer Sicht einen Lichtblick?
Durchaus. Die asiatischen Länder, allen voran China, scheint die Pandemie im Griff zu haben. Das ist für die europäische und asiatische Automobilindustrie eine gute Nachricht. Dadurch dürften nämlich Lieferengpässe bei Komponenten aus dem Asiatischen Raum nur noch bedingt vorhanden sein. Dieser Umstand wiederum ermöglicht die Produktion von neuen Fahrzeugen, die die Lücke füllen können.